Das Knistern zwischen den Zeilen. Inszenierungspotenziale in
schriftbasierter Chat-Kommunikation
Chat-Kommunikation vollzieht sich zwar unter zeitlicher Kopräsenz ihrer Beteiligten, bedient sich zur Kodierung von Beiträgen aber der Schrift als eines typischen Mediums der Distanz. Der chatspezifische Umgang der Teilnehmer mit dem Distanzmedium sowie die teilnehmerseitige Wahrnehmung des (eigentlich nur zweidimensional verifizierbaren) „Kommunikationsraums„ als eines „virtuellen Spielzimmers„ zeigen den Chat als eine Kommunikationsform, bei der es trotz ihrer Schriftfixiertheit in motivationaler (und nicht selten auch emotionaler) Hinsicht gehörig „knistert„. Mein Beitrag fragt nach den Spannungsfeldern, die dem Chat unterliegen und die die Voraussetzung dafür bilden, dass solches „Knistern„ entsteht und dass Chat-Teilnehmer, die alleine vor einem Bildschirm sitzend an der kollaborativen Prozessierung einer sich schriftrollenartig darbietenden getippten Konversation teilhaben, vom „Modemfieber„ gepackt werden. Hierbei interessieren insbesondere die Inszenierungspotenziale, die sich aus der eigenartigen Kommunikationssituation des Chat ergeben: Der „Andere„ (dessen kommunikative „Präsenz„ und Aufmerksamkeit im Chat lediglich zeichenhaft ist) wird im Chat gerade dadurch reizvoll, dass er sich zeichenhaft kodiert und über textuelle Zuschreibungen für seine jeweiligen Mitkommunikanten – als eine Art dramatis persona – konstruiert. Und nicht nur Figuren werden konstruiert: Mittels performativer Selbstzuschreibungen und phantasmatischer Initiativen wird in Chat-Episoden bisweilen ein kollaboratives Spiel um Simulationen betrieben, in dessen Rahmen fiktionale „Mikrokosmen„ ausgehandelt werden und sprachlich Deklariertes als Bezugsgröße einer (Sprach-)Spielwelt kommunikative (bisweilen suggestive) Realität erhalten kann. Michael Beißwenger |